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  • AutorenbildMargit Dittus

Von meiner Mama: Buddenbrooks

Aktualisiert: 9. Apr. 2021

Woher kommt meine Liebe zum Lesen und zum Schreiben?

Diese Frage ist ganz simpel zu beantworten: Beides vermittelten mir meine Eltern. Angeregt durch die vielen, unterschiedlichsten Bücher daheim, begann meine Entwicklung zum Bücherwurm mit fünf Jahren. Das Schreiben kam später dazu. Im Gegensatz zu meinem Vater und mir liest meine Mutter allerdings keine Krimis und Thriller, sondern „was Gescheites“. Sprich: Die Klassiker sind in unserer Familie hauptsächlich bei ihr beheimatet. Doch an ihrem Lieblingsbuch „Buddenbrooks“ von Thomas Mann kamen weder Papa noch ich vorbei – und auch wir beide mögen es sehr gerne. Wer es bereits gelesen hat, wird es wissen: Die 700 Seiten kurz zusammenzufassen, ist nahezu unmöglich. Aber hier gilt – wie bei uns zuhause des Öfteren – die Devise: „Nicht verzagen, Mama fragen!“ Viel Vergnügen bei ihrer Interpretation dieses Klassikers:


„Buddenbrooks“ von Thomas Mann



Mit 14 Jahren (1971) habe ich diesen Klassiker zum ersten Mal und mit großer Begeisterung gelesen; als Taschenbuchausgabe im Fischer Verlag, Preis: 6,80 DM.

Seitdem lese ich das Buch immer wieder. Die Schönheit der Sprache und die Vielschichtigkeit der Handlung faszinieren mich jedes Mal erneut. Über drei Generationen wird der „Verfall einer Familie“ (Untertitel) geschildert. Drei unterschiedliche Männercharaktere sind für Erfolg und Niedergang des Familienunternehmens verantwortlich.


Mittlerweile betrachte ich dieses Werk als „Roman über Frauen“. Sie überleben die Patriarchen und den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abstieg. Drei besondere Frauenfiguren möchte ich vorstellen:


Toni Buddenbrook, die Schwester des letzten Familienoberhauptes Thomas Buddenbrook, bildet den Mittelpunkt. Ihr Lebensweg führt durch die guten Zeiten der Familie bis zu deren Verfall. Als hübsches, verwöhntes Mädchen fühlt sie sich wie eine kleine Prinzessin. Sie wird in eine traditionelle Frauenrolle hineinerzogen, die in ihrer Gesellschaftsschicht für die damalige Zeit üblich war. Ihre einzige große Liebe hat aus gesellschaftlichen Gründen keine Zukunft. Sie wird mit dem ungeliebten, aber standesgemäßen Bendix Grünlich verheiratet. Er entpuppt sich als Betrüger und Hochstapler. Erika, die gemeinsame Tochter, wird geboren. Ehrliche Muttergefühle entwickeln sich bei Toni nicht. Das Kind erinnert sie zu sehr an B. Grünlich. Die Ehe wird geschieden. Trotz des Makels einer geschiedenen Frau, behält sie sich ihr naives Selbstbewusstsein. Auch eine zweite Ehe scheitert. Sie kehrt heim in die Familie. Nun gilt ihr ganzes Streben der Karriere ihres Bruders. Sie definiert sich durch seinen Erfolg, sein Ansehen und versucht, den drohenden Abstieg aufzuhalten. Ihre Erwartungen an das Leben erfüllen sich nicht.


Gerda Buddenbrook, geborene Arnoldsen, Tonis Schwägerin, übernimmt die Rolle einer fortschrittlicheren Frau. Durch ihren Vater ist sie finanziell unabhängig. Die selbstbewusste, eigenwillige Künstlerin wählt bewusst Thomas Buddenbrook zu ihrem Ehemann. Er ermöglicht ihr ein angenehmes, ganz auf die Musik konzentriertes Leben. Scheinbar führt das Paar ein harmonisches Eheleben. Aber Gerdas große Leidenschaft gehört der Geige - Thomas spielt zunehmend die zweite Geige. Erfüllung findet sie im Verhältnis zu einem ebenso musikbegeisterten Leutnant. Ihre eheliche Verpflichtung erfüllt sie mit der Geburt von Hanno, dem letzten männlichen Nachkommen. Die Beziehung zu ihrem Sohn vertieft sich erst, nachdem erkennbar wird, dass er das musische Talent seiner Mutter geerbt hat. Doch Hanno stirbt im Kindesalter. Mit der unkonventionellen Gerda verändert sich die untergeordnete Rolle der Frau.


Sesemie Weichbrodt verkörpert eine emanzipierte ledige Frau. Sie besitzt und leitet ein angesehenes Mädchenpensionat. Dadurch ist sie selbständig und verdient ihren eigenen Lebensunterhalt. Für sie besteht keine Abhängigkeit von Vater oder Ehemann. Nicht privilegiert durch Aussehen oder Herkunft, zeichnet sich diese kleine Person durch ein großes Herz und feste Prinzipien aus. Sie allein bestimmt über ihr Leben.

Das letzte Kapitel widmet Thomas Mann ausschließlich den Frauen.

Toni, Gerda, Sesemie und Erika organisieren die Auflösung der Firma und verteilen das Resterbe. Alle zentralen männlichen Figuren gibt es nicht mehr. Damit beschreibt Thomas Mann die Frauen als lebensspendendes, überlebensfähiges, starkes Geschlecht.


Dieser Roman ist zwischen 1897 und 1901 (erste Veröffentlichung) entstanden. In dieser Zeit organisierten sich viele Frauen. Verstärkt kämpften sie um ihre Rechte. 1894 wurde der „Bund Deutscher Frauenvereine“ gegründet. Gleichstellung und Gleichberechtigung waren (und sind bis heute) ihre berechtigten Forderungen. Auch Thomas Mann wird von diesen Entwicklungen beeinflusst worden sein.


Mit großem Vergnügen habe ich meine Interpretation von „Buddenbrooks“ geschrieben. Es freut mich sehr, dass meine Tochter Anna die Liebe zum Lesen und Schreiben entdeckt und weiterentwickelt hat. Allen Gleichgesinnten wünsche ich weiterhin Lust und Erfolg bei der kreativen „Arbeit“.


Herzlich, Margit Dittus


P.S.: Es gibt viele „g`scheite“, gute Krimis ;-)


Margit Dittus

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