"Warum ändere ich Dinge, die ich ändern will, eigentlich nicht jetzt?"
- Anna M. Dittus

- 21. Nov.
- 4 Min. Lesezeit

Warum eigentlich?
Mit aquamarin-blauen Augen durchs Leben
Mein Name ist Anna M. Dittus – 41 Jahre alt und da sitze ich mal wieder – zwar nicht in meinem grünen Lesesessel, aber trotzdem sehr bequem – und sinniere über dieses Leben. Heute hat jemand im Radio gesagt, dass Weihnachten ja quasi vor der Türe steht. Und mit Entsetzen war mir klar: nicht nur Weihnachten – auch die Ära der Jahresrückblicke und guter Vorsätze. Na, prost Mahlzeit! Und je länger ich darüber nachdenke – und Sie wissen, ich denke GRÜNDLICHST nach – desto bewusster wird mir die heutige Frage, die ich mir und Ihnen stelle:
"Warum hat man gute Vorsätze eigentlich an Silvester?"
Beziehungsweise
"Warum ändere ich Dinge, die ich ändern will, eigentlich nicht jetzt?"
Schon bin ich mittendrinn in meiner nächsten ANNA-lyse. Bald ist es wieder soweit, und wir werden Sätze wie „Im neuen Jahr möchte ich …“ oder „Fürs neue Jahr habe ich mir vorgenommen …“ in allen erdenklichen Varianten hören – Sie und ich. Und was tun wir, wenn uns jemand seine guten Vorsätze unterbreitet? Wir lächeln mit, suchen nach lobenden Worten … und ahnen, wie viele davon nach wenigen Wochen wieder vergessen sein werden. Ja, so wird es passieren – Ihnen und mir.
Aber mal im Ernst: Warum warten wir damit?
Wenn jemand abnehmen möchte – warum nicht ab morgen?
Wenn jemand knapp bei Kasse ist – warum gönnt man sich bis Silvester noch so viel Unnützes?
Wenn man die Wohnung umräumen möchte, warum sitzt man dann samt Weihnachtsbaum immer noch völlig ungemütlich im falschen Raum?
Weil es anstrengend ist? Ja, aber noch anstrengender ist es doch, jeden Tag mit dem Gedanken im Kopf herumzulaufen, dass man es eigentlich viel lieber anders hätte. Und wenn man sich aufraffen würde, auch anders haben könnte. Oder?
Wissenschaftlich betrachtet ist das Phänomen nachvollziehbar: Der Jahreswechsel wirkt wie ein offizieller Neustart – ein symbolischer Reset-Knopf. Laut Forschungen motiviert ein Neubeginn das Gehirn extra, weil wir uns sagen: „Das war das alte Jahr – jetzt beginnt etwas Neues.“ Und doch ist die Realität ernüchternd: Eine Studie mit Fitness App-Daten fand heraus, dass fast 80 % der Menschen ihre Neujahrsvorsätze – zumindest hinsichtlich der körperlichen Ertüchtigung – bereits bis Mitte Januar aufgeben. Und wahrscheinlich wird verhält es sich mit anderen Ideen ähnlich. Doch was zählt zu den häufigsten Vorsätzen? Gesundheit, Ernährung, Sparen, Beziehungen – laut Statistiken. Warum also der enorme Druck, gerade ab dem 1. Januar etwas zu ändern? Vielleicht, weil wir soziale Spiegel brauchen: Sobald der Kalender „1.“ zeigt, scheint die ganze Welt mitzuziehen – und wir wollen nicht als einzige sitzen bleiben.
Oh, Moment. Unter den ganzen Vorsätzen wollen wir die damit verwandten Jahresrückblicke nicht vergessen! Nicht die großen TV-Formate, sondern unsere ganz persönlichen in sozialen Medien. Jeder denkt: „Ich muss mein Jahr 2025 posten – mit Höhen, Tiefen, Learnings, grünen Fotos, Zitatbildern.“
Warum? Vielleicht, weil wir uns selbst als Teil einer gemeinsamen Geschichte sehen wollen – und weil wir hoffen, dass mit dem richtigen Post auch die richtigen Veränderungen beginnen. Weil wir seit dem Vorjahr vielleicht coole Dinge erlebt – aber vielleicht auch anderes einfach nicht geschafft haben. Wie es eben läuft in so einem Jahr. In jedem Jahr. Immer wieder. Andere Themen, selbe Prozedur.

Zugegeben, ich kann da ja nur für mich sprechen, aber vielleiiiiicht geht es Ihnen ja auch ein klein wenig so – aber nach spätestens dem dritten Rückblick am 31.12., inklusive guter Vorsätze für den 1.1. selbstverständlich, bin ich eher genervt. Kaum ein Meme spricht mir derart aus dem Herzen, als das, auf dem Maggie Smith aka Prof. McGonagall „sagt“:
„My dear nobody cares about your Year in Facebook.“
Daher, sollte es Sie interessieren (falls nicht: einfach vorblättern, ich würde es verstehen), hier ganz exklusiv für Sie mein Jahresrückblick schon heute: Mein Jahr war exorbitant chaotisch – mein annus horribilis, wie die Lateiner sagen würden. Ich habe dieses Jahr gespürt, dass man mitunter Dinge erlebt, auf die man nicht vorbereitet ist – dass einen Entwicklungen überrollen können wie eine Dampfwalze. So stark, so rücksichtslos. Und wenn es einmal noch nicht reicht auch gerne mehrfach. Das schreibe ich jetzt nicht für eine Extraportion an Mitleid. Nein, das schreibe ich, um Ihnen zu sagen: Es ist einfach bullshit, bis Silvester zu warten. Man braucht gute Vorsätze dann, wenn man etwas ändern will. Nicht erst am 1.1. Wer eine Veränderung braucht, sollte handeln – in dem Moment, in dem er merkt: Das passt nicht mehr. Nicht erst dann, wenn der Kalender es vorgibt. Und in diesem Moment kann man auch seinen persönlichen Rückblick starten. Weil man sich ganz fest vornimmt: So eine beschissene Zeit kommt nie mehr. Ab jetzt!
Wenn Sie jetzt bei Ihrem Avocado-Toast (sorry, kleiner Kolumnen-Insider) sitzen und Ihnen ein leises „Ja, aber …“ über die Lippen huscht, weil Ihr Jahr großartig war, vom Glück geküsst und schönen Momenten geprägt – dann freue ich mich uneingeschränkt riesig (und NEIN! ausnahmsweise meine ich das nicht ironisch) mit Ihnen. Und zwar am liebsten nicht nur einmal am 31. Dezember, sondern für jeden Glücksmoment einzeln, dann wann er passiert. Denn glückliche Momente gibt es viel zu selten. Die sollten wir gemeinsam feiern.
Und wenn Sie Support bei einem Vorsatz brauchen: Melden Sie sich, egal zu welcher Jahreszeit.
Herzlichst,
Ihre Anna M. Dittus
(41, die nach diesem Jahr schon vor einiger Zeit neu gestartet ist, anstatt auf den Kalender zu warten.)



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