Warum ist man eigentlich alt und fühlt sich trotzdem nicht erwachsen?
- Anna M. Dittus

- 21. Nov.
- 4 Min. Lesezeit

Warum eigentlich?
Mit aquamarin-blauen Augen durchs Leben
Mein Name ist Anna M. Dittus – 41 Jahre alt und heute in altbekannter Manier mal wieder irgendwo zwischen akribischer Lebens-ANNA-lyse und gepflegter Realitätsflucht unterwegs. Denn aus gegebenem Anlass (ich hole Sie dazu gleich ab) stellt sich mit heute die Frage: Bin ich eigentlich schon erwachsen oder tue ich, als wär’s so? Also ernsthaft: Als Kind habe ich meine Eltern, damals Anfang 30, meine Kindergärtnerinnen, später meine Lehrer und eigentlich jeden, der Auto fahren durfte, als akut erwachsen empfunden. Und heute? Heute befinde ich mich etwa in der Mitte meines Lebens und habe keine Antwort auf:
Warum ist man eigentlich alt und fühlt sich trotzdem nicht erwachsen?
Am Donnerstag hat meine Freundin Fine in der Boulderhalle in die Runde gefragt, ab wann man eigentlich erwachsen ist und wie sich das anfühlt. Sie ist 25 – und wir „alten Hasen“ (hüstel) haben ohne Blicke auszutauschen, gleichzeitig laut aufgelacht und waren uns im selben Moment einig: „Nie!“
Denn ehrlich: Dieses mythische „Erwachsen-Sein-Gefühl“, bei dem man plötzlich Verantwortung liebt, die Ruhe weg hat und nie mehr das Abendessen durch eine Tüte Chips ersetzt, das auf das man in der Jugend immer wartet – das ist doch ein Märchen, oder? Sagen Sie doch auch mal was!!!
Wie auch immer – ich hatte an diese Begebenheit gar nicht mehr dran gedacht, bis ich heute (Samstag) meine frisch gewaschene Wäsche in den Schrank geräumt habe. Da stand sie – die Kiste. Mit meinen Drogerie-Artikeln. Oder auch: ein Wimmelbild, das über eine Suchfunktion verfügt.
Es herrscht ein absolutes Chaos bestehend aus angebrochenen Shampoos Duschgels, die ich nicht mag, Cremes, die auf meiner Haut nicht einziehen, zehn Deos in Reisegröße, dazwischen vereinzelt ein paar Tampons. Und – Trommelwirbel – ein Dreierpack Zahnpasta. Große Tuben!
Ich hatte sie völlig vergessen. Heute Morgen noch hab ich mir beim Zähneputzen beim Anblick der fast leeren Tube am Waschbecken gedacht: „Verdammt, bald neue kaufen.“
Und dann stehe ich da, mit drei (!) Tuben in der Hand, muss sofort an Fine denken … denn – halten Sie sich fest – ich hatte in dem Moment einen Anflug eines Gefühls von: Jetzt. Jetzt bin ich erwachsen. Beim Anblick meines Zahnpasta-Vorrats.
Ich, die sonst eher zur Kategorie „Mist, das wollte ich doch vor drei Wochen schon besorgen“ gehöre, habe erkannt, dass das ein völlig wilder Samstag war: Bei genauerem Nachdenken hatte ich nämlich nicht nur im Sparpack gekaufte Zahnpaste gefunden, sondern besagte Vorratsschachtel geordnet, gewaschene Klamotten in den Schrank geräumt (die liegt nämlich schon nicht selten eine kleine Ära zusammengefaltet im Wäschekorb), das Auto in die Waschstraßen gefahren, sogar das Bett frisch bezogen – und dachte: „Verdammt. Das fühlt sich schon verdammt krass erwachsen an!“
Aber ich will ehrlich sein – das hielt nur, bis ich merkte, dass ich seit Oktober immer noch mit Sommerreifen herumfahre. Was? Sie auch? Oder sind Sie etwas einer von diesen vernünftigen Menschen, die im September schon Termine für den Reifenwechsel buchen?
Ich sag’s Ihnen: Auch bei der „Reifen-Rückrunde“ bin ich äußerst unerwachen. Aaaaaaaber zu Ostern könnte es ja nochmal schneien. Deshalb mach ich das lieber „sicherheitshalber“ später. Also wirklich nuuuuur deshalb! Nicht etwa, weil ich’s vergesse oder keine Lust hab … nein, nein, ich bin einfach vorsichtig!
Aber sagen Sie mal – ab wann fühlt man sich denn wirklich erwachsen?
Ich frage mal die Eltern unter Ihnen: Ging das bei Ihnen los, als das Erste das Licht der Welt erblickte? Oder fühlen Sie sich seitdem einfach dauerhaft wie der Klassenclown, der plötzlich für kleine Menschen verantwortlich ist – und deren Freunde automatisch zu den eigenen werden?
Vielleicht ist Erwachsenwerden ja gar keine Frage des Alters, sondern des Vorratsmanagements. Oder des Reifenwechsels. Was sagt eigentlich die Wissenschaft dazu?
Offiziell gilt man ab 18 als erwachsen.
Aha.
Wenn das so ist – warum dauert es dann bei mir bis 41,5, bis ich das zum ersten Mal fühle? Und zwar nicht beim Studienabschluss, Steuern machen oder Auto kaufen, sondern beim Blick auf ein Dreierpack Zahnpasta?
Ihre Hilfe ist gefragt!
Wann haben Sie sich das letzte Mal erwachsen gefühlt?
Beim Stromanbieterwechsel? Beim Abschluss einer Haftpflichtversicherung? Beim Kauf eines Wäscheständers?
Oder zählen Sie zu den mysteriösen Menschen, die sich immer erwachsen fühlen? Dann verraten Sie mir bitte Ihr Geheimnis – seit wann ist das so?
Nächste Frage: Ist dieses Erwachsen sein, wenn man es mal hat, von Dauer? Oder gibt es unter Ihnen auch „Rückfällige“? Wenn ja: Wie lange hielt es bei Ihnen an? Oder sind sie gar Wiederholungstäter?
Vielleicht ist das der Trick:
Erwachsen sein ist gar kein großes Gefühl. Es ist das, was übrig bleibt, wenn man Dinge tut, auf die niemand stolz ist – aber die das Leben irgendwie strukturieren.
Vielleicht ist Erwachsensein, wenn man eine Versicherung versteht. Oder zumindest so tut, als würde man es.
Vielleicht auch, wenn man einen Wäschetag plant – und ihn wirklich einhält.
Hmpf. Ich sag es Ihnen ganz ehrlich: Ich habe echt darauf vertraut, dass dieses „erwachsen sein“ von selbst kommt. Weit gefehlt. Aber halt – mir fällt da gerade etwas ein: Kennen Sie das Ende der Pippi Langstrumpf-Bücher? Da hatte Astrid Lindgren sich etwas besonders Süßes einfallen lassen, nämlich die die sogenannten "Krumulus-Pillen", die Pippi, Tommy und Annika nach Einnahme daran hindern sollen, "langweilige Erwachsene" zu werden. Vielleicht hat mir meine liebe Mama irgendwann einmal ein paar Krumulus-Pillen in mein Essen gemischt. Ja, so muss es wohl gewesen sein …
In diesem Sinne ganz herzlich.
Ihre
Anna M. Dittus
(die wohl ganz langweilig erwachsen war oder es nun für immer bleibt?!? – und extrem gespannt ist, ob sie es schafft, nächste Woche einen Termin zum Reifenwechsel auszumachen)



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