Warum ist Vorfreude die schönste Freude?
- Anna M. Dittus

- 29. Nov.
- 4 Min. Lesezeit

Mein Name ist Anna M. Dittus, und heute widmen wir uns einer sehr alten, sehr kitschigen, sehr wahren Redewendung: Vorfreude ist die schönste Freude.
Sie kennen den Satz. Ich kenne den Satz. Anfangs dachte ich, das Thema lässt sich super unter „Lebens-ANNA-lyse“ verbuchen. Sie werden sehen: Es fällt eher unter „Realitätsflucht“ … aber der Reihe nach! Denn obwohl dieser Satz klingt wie etwas, das auf einem Wandtattoo neben Carpe diem oder Lebe, lache, liebe kleben könnte, steckt da – für mich – viel Wahrheit drin. Und für Sie so?
Gehen wir einmal davon aus, Sie stimmen mir zu, hätte ich gleich die nächste Frage – an Sie, an mich … an das Universum: Warum ist das eigentlich so? Warum flippen wir innerlich völlig aus, wenn ein schönes Ereignis bevorsteht? Warum ist diese Vorfreude wie ein kleines, prickelndes Monster im Bauch? Eine innere Glitzerexplosion, wenn:
man einen Urlaub gebucht hat
ein Konzert ansteht
man das erste Türchen des Adventskalenders schon sehen kann, aber noch nicht öffnen darf
der Paketbote schreibt: „Ihr Paket kommt heute zwischen 12:53 und 13:01 Uhr“
morgen die nächste Ausgabe des Lieblingshörspiels erscheint
oder man schon seit Wochen weiß, dass am Dienstag ein toller Tag wird
Vorfreude ist das Schönste, weil sie… perfekt ist.
Unberührt.
Unenttäuscht.
Rein.
Wie ein neues Notizbuch.
Wie frisches Bettzeug (geben Sie es zu, spätestens jetzt habe ich Sie! So ein frisch bezogenes Bett liebt doch einfach jeder von uns.).
So, von der ANNA-lyse jetzt wieder in medias res:
Worauf freuen Sie sich gerade?
Etwas Großes?
Etwas Kleines?
Auf Weihnachten?
Auf die Zeit, wenn man dieses Weihnachten endlich hinter sich gebracht hat?
Oder vielleicht auf gar nichts – dann wird’s Zeit. Denn – Sie kennen mich, irgendwann kommt sie immer, die kleine Prise Wissenschaft – das Gehirn liebt die Vorfreude mehr als das Ereignis selbst. Zumindest ab und an. Ja, sagen wir’s, wie’s ist: Wir sind chemisch verdrahtet, um Vorfreude zu mögen. Studien zeigen, dass der Dopaminspiegel vor einem Ereignis höher sein kann als währenddessen. Das Gehirn liebt Versprechen. Nicht Ergebnisse. Denn sind wir ehrlich: Diese Ergebnisse sind schon oft sehr ernüchternd. Oft. Aber nicht immer!!!
Aber das erklärt auch Folgendes:
Der Gedanke an Urlaub ist herrlicher als der Rückenschmerz vom Koffertragen.
Die Fantasie über freie Tage ist schöner als die Realität, in der man Wäsche sortiert.
Und das Auspacken eines Pakets ist oft nicht so toll wie das Bestellen. (Sie wissen, dass das stimmt.)
Und wenn wir ganz ehrlich sind: Vorfreude ist unser persönlicher Hollywood-Produzent, der alles schön filtert:
Im Urlaub regnet’s garantiert nicht.
Die Party macht sicher Spaß. (Hmmm, also hier bin ich meist raus, das kann ich mir nicht einmal im Vorfeld schönreden!)
Die neue Hose, die dem Model im Internet so perfekt steht, wird an mir sicher super aussehen.
Und Silvester wird bestimmt nicht wieder so laufen wie… naja… jedes Silvester seit 2001.
Wir bauen perfekte Filme. Und das Tolle: Vorfreude lässt diese Filme laufen, ohne dass sie jemals von der Realität zerstört werden müssen. Solange es noch nicht passiert ist, kann es alles sein. In Sachen Vorfreude liegt der Zauber liegt im Davor, nicht im Währenddessen. Das ist übrigens auch der Grund, warum manche Dinge in der Vorstellung magischer sind als in echt. Vorfreude ist also ein bisschen wie ein Filter. Sie macht alles hübscher. Freundlicher. Strahlender.
Und jetzt verrate ich Ihnen was: Während ich das hier alles so tippe und über den Sinn des Lebens sinniere, ist mir eines bewusst geworden: Gerade als Erwachsene (Sie sehen, dieses Erwachsensein aus Ausgabe 16 lässt mich nicht los) brauchen wir dringend mehr Vorfreude.
Wir funktionieren.
Wir arbeiten.
Wir rennen.
Wir organisieren.
Wir denken.
Wir tragen.
Wir reparieren.
Wir planen.
Und ab und zu … müssen wir auch mal glitzern. Innerlich. Die Vorfreude ist dieses kleine Glitzern. Der Beweis, dass da noch etwas ist, das uns kitzelt, inspiriert, berührt, bewegt. Vorfreude ist unser persönliches „Aushalten lohnt sich“. Vielleicht sind wir deshalb so süchtig danach und statuieren: Vorfreude ist die schönste Freude. Und wir wenn es dann so perfekt wird, wie in unserem Glitzertraum (oder am Ende noch perfekter, weil das kleine Glitzern zu einem riesigen Leuchten geworden ist), dann wissen wir: Das haben wir uns jetzt auch verdient. Ohne Wenn und Aber.
Und bevor wir das Thema ganz liebevoll zuklappen, noch ein kleiner Geheimtipp (Ich, die Weihnachten jetzt nicht so hypt, empfehle das nicht nur jetzt, sondern das ganze Jahr über): Vorfreude kann man verschenken. Ja, wirklich! Ein „Nächste Woche trinken wir einen Aperol“ (gern auch alkoholfrei), ein „Ich hab da was geplant“ oder ein simples „Warte ab, du wirst’s lieben“ – und zack, haben Sie jemandem innerlich Glitzer verpasst. Funktioniert besser als jede Anti-Falten-Creme und kostet weniger als ein Latte Macchiato (oder ein grünes Red Bull). Und das Beste: Man freut sich dann gleich doppelt – selbst und stellvertretend für den anderen. Wenn Vorfreude wirklich die schönste Freude ist, dann ist verschenkte Vorfreude basically das Deluxe-Paket.
Herzlichst
Ihre Anna M. Dittus (aktuell voller Vorfreude – worauf, verrate ich noch nicht.)



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